Saturday, August 25, 2007

Punjab und Himachal Pradesh

Ende des letzten Schuljahres hatten ich und Anat aus Israel beschlossen, schon zwei Wochen vor Schulbeginn nach Indien zurück zu kommen und die Zeit für eine Reise nach Sikkim zu nützen. Sikkim ist das kleine Eck Indiens in den Himalayas, das mehr Grenze mit Nepal, China und Bhutan teilt, als mit dem Rest von Indien. Dass Ende August der Monsun gerade dort verheerend sein kann, hatten wir damals nicht bedacht. Die Straßen nach Darjeeling waren tatsächlich stark überflutet, und weiter nördlich waren die meisten sogar unter Muren begraben. Also ließen wir unsere Pläne schweren Herzens mit unseren Freunden zu Hause und trafen uns nach einigen Missverständnissen am 3. August in Delhi in der Wohnung unserer Freundin Surabhi. Wir entschieden dort gar nicht erst in den Osten zu fahren, also auch den ursprünglichen Plan einige Freunde in Kalkutta zu besuchen, aufzugeben und anstelle nach Himachal Pradesh, in die Ausläufer des Himalayas im Norden Delhis zu fahren. Auf dem Weg dorthin würden wir Station in der Hauptstadt Punjabs, Chandigarh machen, um Mannat zu besuchen. Den Rest des Tages verbrachten wir mit einer lustigen Gruppe aus Surabhi, einer Freundin aus Singapur, ihrer Schwester und deren Kolleginnen aus den US in einem Hookahcafe in Delhi, wo wir slogar einen weiteren Mitschüler trafen, denn Delhi ist ja auch nur ein Kaff. Da alle diese lustigen Mädchen (aber sonst keine Eltern, was es besonders lustig machte) bei Surabhi übernachteten war leider für uns kein Platz mehr und wir telephonierten uns durch alle Leute, die wir in Delhi kennen, doch alle hatten entweder Verwandte bei sich, einen Todesfall in der Familie, oder war selber verreist, was uns nur noch eine Möglichkeit ließ: Unser first-year Avani, die wir erst Anfang September in der Schule kennen gelernt hätten. Wir wurden also im gekühlten Mercedes von Avanis Fahrer aus der Delhier Innenstadt abgeholt um zu einem der größten, atemberaubendsten und durchgestyltesten Häuser in denen ich je die Nacht verbracht habe, gefahren zu werden. Avanis Mutter ist Designerin, und Dank dieser Neigung war das ganze Haus gestaltet und vollgestopft mit Bildern uns Skulpturen, was mich positiv überraschte, weil ich nicht wusste, dass Indien eine solche Vielfalt guter und moderner Künstler hat. Noch dazu platzten wir in eine Geburtstagsfeier und so hatten wir gutes Essen, viel Kuchen und Gesellschaft. Am nächsten Tag brachen wir auf nach Chandigarh. Chandigarh ist die einzige geplante Stadt Indiens (in dieser Funktion ist sie auf der 10 Schweizer Franken Note zu sehen, da der Planer, der Schweizer Corbusier war) mit viel grün und geraden Straßen. Mannat, ihre Großeltern und Mutter empfingen uns herzlich und mit gutem Essen. Wir trafen auch eine Freundin von Mannats Mutter die uns als Himachal Expertin half unsere weitere Reise zu planen. Nach zwei Nächten in Chandigarh brachen wir in einem öffentlichen Bus nach Shimla auf und machten in den 6 Stunden ca. 2000 Höhenkilometer. Von dort versuchten wir gleich weiter in das Städtchen Rampur zu fahren und hatten damit erst Erfolg, als uns ein Mann durch die ganze Stadt zu einer anderen Busstation begleitete. Bis wir in der Nacht in Rampur ankamen, verbrachten wir den Tag auf spektakulären Bergstraßen. Meistens nicht breiter als genau ein Bus, und zum Tal hin hunderte Meter steil abfallend, sind sie in die Berge gemeißelt. Die Busse sind meistens voll und eher klapprig und bei zwei entgegenkommenden Bussen muss oft einer rückschieben (während die Eltern beim Tee zu Hause sitzen und sich keine Sorgen machen, gut so, liebe Eltern!) auch in Nebel, Regen und Nacht zugleich, doch da sieht man wenigstens den Abgrund nicht. Kurz vor Rampur stieß ich an eine körperliche Grenze, die ich nicht gekannt hatte und bat nach stundenlangem Zögern, den Bus anzuhalten, damit ich in einem Hotel am Straßenrand aufs Klo gehen konnte, obwohl es mir sehr unangenehm war an die hundert Leute aufzuhalten. Im autolosen Rampur hatten wir ein kleines Hotelzimmer genau über dem Fluss, mit wunderbarem Blick auf die Berge, in denen Rampur liegt und die kleine Hängebrücke, die die beiden Seiten verbindet. Unsere nächste Station war das Dorf Sarahan, in dem ein wunderschönes mehrere hunderte Jahre altes Kloster steht, in welchem wir auch wohnen konnten. Wir verbrachten einen Tag damit, die Ruhe und Aussicht zu genießen (Photos folgen bald). Als wir unsere Reise forsetzten, lief nicht mehr alles nach unseren Plänen. Nach einem halben Tag in verschiedenen Bussen wurden wir an der „Innerline“, die das Grenzgebiet zu China begrenzt von der Polizei angehalten um unsere Erlaubnisse zu zeigen. Wir hatten jedoch nicht daran gedacht, eine Erlaubnis zu beantragen, und noch dazu hatten wir unsere Pässe bei Mannat in Chandigarh vergessen. Wir tranken also Tee in der Polizeistation inmitten der Berge, die inzwischen auch kahler geworden waren und ließen uns von einem niederländischen Paar erzählen was wir verpassten, weil wir nicht weiterkonnten und nahmen den ersten Bus in die Richtung aus der wir gekommen waren. Wir verbrachten einen Tag im Dorf Kalpa, dass auch ein paar Tempel hat, von Bergen umkreist ist und die malerischten Apfelplantagen, Blumenbeete, Steinwege und klare Gebirgsbäche hat. Auch Marihuana wächst an jeder Wegecke. Dort trafen wir eine lustige Gruppe Weltreisender, die sich gegenseitig, erst an diesem Tag beziehungsweise zwei Wochen zuvor getroffen hatten. Wir verbrachten also die Nacht beim Kartenspielen und Erzählen und Plaudern mit einem Israeli (die die deutliche Mehrheit aller Touristen in dieser Region stellen), einer Südafrikanerin, einem Mexikaner und einem Briten. Mit einer Übernachtung in Shimla, wo wir das erste Mal in den Regen kamen und ironischerweise in einem Hotel übernachteten, in dem es nach 9 Uhr abends kein Wasser im Badezimmer mehr gab (auch nicht für die Klospülung) erreichten wir durchnässt Chandigarh, früher als geplant. Dafür hatten wir Zeit nach Amritsar zu fahren, worüber ich ihm Nachhinein sehr froh bin. Nach einer erholenden Nacht in Mannats Haus, endlich wieder geduscht und mit gewaschenen Sachen brachen wir in der Hitze der indischen Ebenen auf in Richtung Pakistan. Hier reisten wir noch immer in öffentlichen Bussen durch den Bundeststaat Punjab, der aus flachen Meeren aus sattgrünen Feldern und weißen Staubstraßen besteht. Vielleicht war es zu heiß, oder ich habe zu wenig getrunken, oder der Busfahrer hat einfach zu viel gehupt, jedenfalls endete der Tag für mich mit hartnäckigen Kopfschmerzen. So gingen wir früh zu Bett um am nächsten Morgen noch vor der Hitze den Goldenen Tempel zu besichtigen. Der Goldene Tempel ist das Zentrum der Sikhs, der Religion, die ihre Männer mit den berühmten Turbanen auszeichnet und zugleich eine unglaubliche Wohltätigkeitsinstitution. Wir schliefen in einem Schlafsaal für Ausländer wofür wir nichts, außer einer freiwilligen Spende zahlen mussten. Außerdem gibt es mehrere hundert Schlafsäle und Zimmer, und Arme für die kein Platz ist, sind erlaubt in den Gärten und Gängen zu schlafen. Auch Duschen und Klos sind zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es eine Community Küche, die jeden Tag an die hunderttausend Menschen versorgt. Sie ist einwandfrei organisiert, ohne Bürokratie erreichbar und höchst effizient. Und das Essen war sogar genießbar. Wahrscheinlich ist es daran und an die vielen Menschen aus ganz Indien und aller Klassen, die zu jeder Tageszeit zum Tempel pilgerten, gelegen, dass auch die Architektur des Goldenen Tempel, der tatsächlich größtenteils golden ist und von einem See umgeben mich sehr beeindruckt hat. Nach dem wir einige Zeit damit verbracht hatten uns schöne, vorne gerollte punjabi Schuhe zu erhandeln, machten wir uns mit dem Jeep auf in Richtung zu Pakistanischen Grenze beim Dorf Wagah. Auch das ist ein Ort, der lebt, und der von mehr Indern als Touristen besucht wird. Jeden Tag wird dort von Schreien, Tanzen und Musik begleitet, eine Zeremonie der Grenzöffnung (was nicht beduetet, dass irgendjemand passieren dürfte) abgehalten. Auf pakistanischer, wie indischer Seite, sitzen die Menschen auf Tribünen, wehen mit Fahnen, werden von Animateuren zu „Lang lebe Indien!“ „Hindustan zindabad!“ hingerissen. Dazu marschiert die zwei Meter hohe gutaussehende Ehrengarde lächerlich wie Gockel in ebenso lächerlichen Uniformen mit Kamm auf dem Helm. Insgesamt eine sehr mitreißende und zum Anlass des sich 60 mal jährenden Tag der Unabhängigkeit, an desen Vorabend wir an der Grenze waren, sogar eine sehr emotionale Erfahrung. Noch in der selben Nacht fuhren wir mit dem Zug nach Delhi. Erst zu Surabhis Schwester, die diesmal eine Freundin aus Sri Lanka bei sich wohnen hatte und dann wieder zu unserem First-year Avani, die wir inzwischen ins Herz geschlossen hatten. Wir verbrachten einen Tag mit sight-seeing, Humayuns Tomb und den Bahai Lotus Tempel, der ähnlich wie der Goldene Tempel wegen seiner Lebendigkeit so beeindruckend war. Es waren viele freiwillige Helfer aus der ganzen Welt da, die Rede und Antwort zu der so unbekannten aber sehr interessanten Bahai Religion standen und eine gute moderne Ausstellung. Am letzten Tag kauften wir billigstes Exportgewand und sahen eine Photoausstellung mit Photos aus Tibet und besuchten noch einmal Surabhis Schwester.
Inzwischen war die Vorfreude auf den Campus und unsere Freunde gewachsen und all mein Enthusiasmus, den ich über die Ferien vergessen hatte und gerade beim Aufbruch fehlte, war beim vielen Essen auf der Straße, den Bussen und der Erfahrung bei echten Indern zu wohnen zurück gekehrt und hat mir geholfen das Jahr hier sehr positiv zu beginnen.

1 Comments:

At 8:16 AM, Blogger Unknown said...

hört sich mal wieder aufregend an. Langeweile scheint es für dich in Indien nicht so viel zu geben? :)
Bin auch gerade von einer im Gegensatz zu deiner Reise sehr einfachen jedoch sehr schönen Reise aus Wien und Berlin zurückgekehrt. Jetzt heißt es erst mal wieder Praktikum - diesmal länger als 4 Tage :)
Es hat mich gefreut und freut mich von dir zu hören,
Cousin Jakob

 

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